Champagner Gosset – Traditionshaus ganz modern

Fast hundert Jahre bevor Dom Perignon Kellermeister in der Abtei Hautvilles wurde, gründete der Schöffe Piere Gosset in Aÿ sein Weinhandelshaus. Damals handelte man noch mit stillen Weinen. Heute nach 426 Jahren ist Gosset ein reines Champagnerhaus. Die Hälfte der Produktion wird im Inland verkauft, der Rest weltweit. Das ist überdurchschnittlich im Vergleich zur gesamten Champagne, von derem Produktionsvolumen 62% in Frankreich selbst bleiben und nur 38% in den Export gehen. Gosset Champagner findet man nur in den besten Restaurants, vorwiegend in denen, die mit Michelin-Sternen ausgestattet sind.

Das Schild aus Messing am Eingang zum Champagnerhaus Gosset in Ay. Foto: Katrin Walter
Das Eingangsschild bei Gosset: Schlichte Elegany, die man auch in den Weinen wiederfindet.

Märkte und berühmte Kunden von Gosset

Russland ist neben den etablierten Märkten im Moment ein interessanter Markt, auf dem Champagner gut nachgefragt wird. Ob dies wohl eine Folge der angeblichen Präferenz von Ex-Kanzler Gerhard Schröder für Gosset-Champagner zurückzuführen sei, die er bei seinen neuen Aktivitäten beibehalten hat, ist nicht genau bekannt. Berühmte Genießer der Tropfen von Gosset sind jedoch die Söhne des Fürsten von Wales, William und Henry Mountbatten-Windsor. Eine gute Tradition, könnte man meinen, denn bereits unter den ersten Kunden des als Weinhandel 1584 gegründeten Hauses, war ein Königshof: der französische.

Die spritzige Frische überzeugt aber auch in der Hitze Afrikas und wird dort vor allem von den Frauen des Königs von Togo Togbé Ahuawoto Sawado Zankli Lawson VIII. geschätzt. Jährlich gehen einige Kisten mit dem Konterfei seiner Majestät auf einem Zusatzetikett in sein Herrschaftsgebiet.

Diese Personalisierung ist nur rein äußerlich, denn bei der Dosage der einzelnen Produkte wird kein Unterschied nach Zielland gemacht. Der Inhalt der Flaschen von Gosset ist überall auf der Welt gleich. „Das könnte sonst gefährlich sein, denn die Märkte sind heute nicht mehr homogen, die Menschen reisen viel und auch aus in Japan kann man im Internet Wein in Deutschland bestellen“, erinnert der Exportdirektor von Gosset Wilfred Schuman und verrät noch, dass auch Interpol bei Gosset ein Kontingent für seine Mitarbeiter kauft.

Jean-Pierre Mareigner, der Maître de Chai von Gosset, hier in 2020 sind es bereits 26 Jahre. Foto: Katrin Walter
Jean-Pierre Mareigner, Maître de Chai

Mehr Platz für Vielfalt und eine lange Lagerung

Seit Ende Juni 2009 gibt es neben dem Sitz in Aÿ noch einen Betriebsteil in Épernay auf zwei Hektar Land. Ein Schnäppchen sozusagen, denn eigentlich ist die Anlage viel zu groß für die Produktion der 2 Millionen Flaschen von Gosset. Es sollen auch nicht viel mehr werden und man setzt mit dem Neuerwerb nicht auf Mengensteigerung, sondern auf mehr Raum für selektiven Ausbau und eine lange qualitätsverbessernde Lagerung.

So freut sich Jean-Pierre Mareigner, der Maître de Chai, dass er mit den 140 neuen Tanks mit einem jeweiligen Fassungsvermögen von 20 bis 200 Hektoliter nun nicht nur, wie bisher, einzelne Dörfer separat vinifizieren, sondern auch Partien einzelner Weinbauern und Lagen herausarbeiten kann. Verrückt würden einige meinen, denn in der Konsequenz bedeutet dies, je mehr einzelne Partien zur Verfügung stehen, um so größer wird er Auswand bei der Assemblage. Verkostet Jean-Pierre heute schon zirka 60 Basisweine aus 60 Dörfern so wird dies in Zukunft ein Vielfaches davon sein.

Verkostung Grand Millesime. Foto: Katrin Walter

Der typische Gosset-Stil

Die ersten Assemblagen von Gosset aus dem neuen Keller und damit dem Jahrgang 2009 sind im Juni 2010 erstellt worden, später als alle anderen der Gegend. Der Chef de Cave wartet gern, um zu sehen, wie sich die Weine entwickeln. „Ihnen Zeit lassen, das ist eines der wichtigsten Kriterien für die traditionelle Methode“, sagt Jean-Pierre, der dem Wein folgt und nicht umgekehrt. Er allein bestimmt den Säure- und Zuckergrad, den es braucht, um viele Jahre nach der Ernte den typischen Gosset-Stil auf den Markt zu bringen: frisch, kraftvoll und vielschichtig. Auch Jean-Pierre Cointreau, der Inhaber von Gosset, mischt sich da nicht ein. 26 Jahre ist Monsieur Mareigner hier nun schon Kellermeister und die meisten Weinbauern, die ihm zuliefern, arbeiten bereits seit drei Generationen mit ihm zusammen. Sie kennen seine strengen Vorgaben und so kommt es höchst selten vor, dass Partien abgelehnt werden.

Die Ernte 2009 war außergewöhnlich gut mit großer Finesse aber die Weine brauchen Zeit. Bei Gosset erfolgt aus Prinzip keine malolaktische Gärung, denn es soll vor allem die Frische der Weine hervorgehoben werden. Die einzige Ausnahme bildet der Brut Excellence – erkennbar auch an der grünen klassischen Schaumweinflasche – der darum auch binnen 4 Jahren nach der Enthefung vor allem als Aperitif getrunken sein sollte.

Verkostung Cellebre 1998. Man sieht, wie der Champager in das Glas gegossen wird, herrlich schäumend. Foto: Katrin Walter

Betont frisch

Die anderen Weine in der traditionellen dunklen Antikflasche halten sehr viel länger und man kann sie getrost auch viele Jahre nach dem Degorgement genießen. Aus diesem Grund findet man das Degorgierdatum nicht auf der Flasche. Das ist zwar nicht gerade verbraucherfreundlich, doch auch verständlich bei dem hohen Qualitätsanspruch der Champagner von Gosset. Gibt es doch sonst jede Menge Champagner, Winzersekte und Spumanti, die man lieber doch binnen einiger Jahren nach dem Verkorken trinken sollte.

Bei Gosset sichert der Verzicht auf die Milchsäuregärung und Betonung der Frische eine natürlich lange Haltbarkeit und Genussdauer, so dass es möglich ist, einen 1990 verkorkten 85er Wein, heute noch zu genießen. Kein alltäglicher Champagner, sondern nur etwas für Kenner. Und da Gosset-Weine nur in der Spitzengastronomie und in ausgesuchten großen Weinhandlungen zu finden sind, weiß dort der Sommelier garantiert, jeden Wein passend zum Anlass und Kunden zu kombinieren.

Verkostung eines alten raren Champagners Cuvee Suzanne von Gosset. Foto: Katrin Walter

Zeitgeist trifft Unternehmensphilosophie

„Die Leute wollen heute gesünder essen und trinken und eben auch weniger Zucker zu sich nehmen, darum haben wir nach und nach mit weniger Dosage gearbeitet“, erzählt Natalie Dufour, Exportchefin bei Gosset, von ihren Erfahrungen im Kundengespräch. Die Verringerung der Dosage hat aber auch gezeigt, dass die Ausdruckskraft steigt, der Wein und sein Aromenspiel kann klarer wahrgenommen werden und so verbindet sich die Nachfrage synergetisch mit dem Stil des Hauses Gosset.

Für solche Arbeit am Detail braucht es einen flexiblen Verkaufsmanager, den Gosset zum Glück mit dem sympathischen und dynamischen Niederländer Wilfred Schuman hat. So sehr er sich über große Bestellungen freut, wie vor kurzem über eine LKW-Ladung voll für Russland, muss er doch immer erst anfragen, ob eine Lieferung wirklich möglich ist. Bei Gosset wird nicht nach Kundenwunsch degorgiert, sondern dann, wenn die Cuvées bereit sind, und das bestimmt allein der Kellermeister.

Holzkiste für Champagnerflaschen aus dem Traditionshaus Gosset. Foto: Katrin Walter

Fazit meines Besuchs im Champagnerhaus Gosset

Überhaupt erlebt man hier eine große Ehrfurcht vor dem wahren Können, zeigt viel Respekt und Interesse am Gegenüber und gleichzeitig eine unglaubliche Herzlichkeit. Diese von Humanität geprägte Atmosphäre und Ruhe in den langen Kellergängen unter dem Gut in Épernay ist das völlige Gegenteil von dem Tamtam und Trubel, mit dem Champagner gewöhnlich geöffnet und konsumiert wird und dabei in seiner Größe als Wein oft gar nicht voll zur Geltung kommt.

Nach dieser Erfahrung bin ich völlig begeistert und da ich grundsätzlich die Frische in Weinen liebe und lange gelagerte Flaschengärungen, liebe ich Gosset.

Regionalzug mit Champagne-Werbung. Foto: Katrin Walter
Regionalzug mit Champagne-Werbung

Alle Fotos: Katrin Walter
Weingut Gosset virtuell besuchen: Link
Mehr über Wein gibt es hier…



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