Pastiglie Leone: Barillas Löwenherz für eine Bonbonfabrik

Ich kenne die Pastiglie Leone aus meiner Zeit in und den vielen Reisen nach Italien. Sie stehen in fast jeder Bar, unverkennbar in ihren bunten pastellfarbenen Umverpackungen. Doch dahinter ist die Schachtel immer gleich: Gelb mit Gold, sodass du niemandem verraten musst, welche deine Lieblingssorte ist (wenn du nicht gerade eine Leone-Blechdose hast, auf der die Geschmacksrichtung offensichtlich ist). Mit deiner gelb-goldenen Schachtel gibst du der Welt dezent zu verstehen, dass du Geschmack hast, nur welchen, das bleibt dein Geheimnis. Privacy pur oder echtes piemontesisches Understatement … heute in Barilla-Hand.

Alle Schachteln der Leone-Pastillen sehen innen gleich aus, nur die Umverpackung enthüllt den Geschmack. Foto von Pastiglieleone-Instagram
So sehen alle Schachteln der Pastillen hinter der Umverpackung aus, damit keiner sehen kann. welches dein Lieblingsgeschmack ist, wenn du es nicht möchtest. Foto: Pastiglie Leone-Instagram

Die Firma und die Pastiglie Leone Bonbons

Bevor wir in die Geschichte der Sweeties aus dem Piemont einsteigen, noch ein paar  Worte vorab. Wenn ich von Pastiglie Leone schreibe meine ich die gleichnamigen kleinen Pastillen-Bonbons. Es gibt sie in mehr als 40 Sorten, zählt man die Kooperationen mit anderen Marken mit, die ihren typischen Geschmack auch in einem Leone-Bonbon wiederfinden wollten, um ihn als Gadget zu verschenken oder zu verkaufen. So gibt es sie zum Beispiel mit dem Geschmack von Martini Rosso und von der Cedrata Tassoni (erfrischende Limonade aromatisiert mit dem Sirup des Zedernholzextraktes), die man mittlerweile auch überall kaufen kann oder die mit dem Geschmack nach Freisa Superiore Vigna Villa della Regina (von der ich vor einigen Wochen hier berichtet habe), die – in limitierter Auflage – nur in der Villa selbst erhältlich sind.

Die Pastiglie Leone mit dem Geschmack des Freisa Superiore der Villa della Regina in Turin - Limited Edition. Foto Katrin Walter - simply walter
Die Pastiglie Leone mit dem Geschmack nach Freisa Superiore Vigna Villa della Regina kommt in der Blechdose daher und es gibt sie nur in der Villa selbst und vielleicht noch bei Balbiano, dem Winzer, der den Weinberg betreut.

Die Firma, die sie produziert heisst (ebenso) Pastiglie Leone Srl und hat weit mehr im Sortiment: fast 4000 Referenzen befinden sich im Katalog, von den Pastillen und anderen gefüllten und ungefüllten  Bonbons, über Drops, Fondant, Fruchtgummis, Lakritze, bis zu Schokolade und anderem Naschwerk, alles aus natürlichen Rohstoffen und einiges sogar vegan, gluten- oder zuckerfrei.

Schachteln mit Pastiglie Leone klassisch und Leonsnella mit zuckerfreien Bonbons. Foto: Katrin Walter - simply walter

162 Jahre Bonbonmanufaktur: Eine süße Geschichte

Die Senateurs der Pastiglie Leone

„Italien war noch nicht vereint, aber die Pastiglie Leone waren schon da!“, so heißt es in einem historischen Slogan des Unternehmens, das seit 1857 diese und andere Süßigkeiten in Turin produziert, und die im ganzen Land bekannt und beliebt werden und es noch heute sind. Dabei wird oft und gern die Anekdote erzählt, dass sich Camillo Benso Graf von Cavour (italienischer Unternehmer und Staatsmann sowie Wegbereiter der Einheit Italiens und Gourmet) vor seinen Reden im Parlament gewöhnlich mit seinen Lieblings-Karamellen den Mund befeuchtete: den weichen Leone- Lakritz-Gummis mit Veilchen-Aroma.

Der Senateur, Kult-Lakritz-Gummi mit Veilchen-Geschmack. Sreecshot aus dem Katalog des Unternehmens.
Die Lakritzgummis mit Veilchenaroma befinden sich auch noch heute unter dem Namen „Senateur“ und der Bestellnummer 302 im Sortiment der Firma Pastiglie Leone Srl

Die Pastillen mit Veilchengeschmack wurden dann auch unter den Politiker-Kollegen zu den beliebtesten und aus diesem Grund in „Senateurs“ umbenannt. Aber es war nicht nur die Naschhaftigkeit, die zu ihrem Erfolg führte. Zur damaligen Zeit gab es noch keine Mikrofone und um sich Gehör zu verschaffen, musste man gut bei Stimme sein. Und um das zu erreichen, gab es nichts Besseres, als den Hals mit einem kleinen Speichelfluß-Anreger zu ölen. Die besten Helferlein, die sich damals im Umlauf befanden, waren eben die des Konditors Luigi Leone und seine Schachteln erhielten, angesichts des Erfolgs, sogar das Siegel der Savoyer.

Andere schätzen die kleinen, köstlichen und intensiv duftenden Pastillen-Bonbons als Erfrischung nach einer Mahlzeit. Aus diesem Grund gehörten zu den allerersten Geschmacksrichtungen die typischen Aromen der „Verdauunmgskräuter“, wie Minze, Zimt, Fernet (typischer italienischer Bitter seit 1845), Rhabarber und Enzian, um nur einige zu nennen.

Pastiglie Leone-Schachteln in den Geschmacksrichtungen Anis, Johannisbeere, Rhabarber, Alpenkraüter, Zimt, Vanille u.a. Foto: Katrin Walter - simply walter

Von Leone bis Monero

Nach dem Tod des Gründers und Erfinders der Pastillen, Luigi Leone, wurde das Unternehmen 1934 von Giselda Balla Monero übernommen. Sie besaß zusammen mit ihrem Bruder Celso Balla die Firma La Vittoria, einen Großhandel für Süßwaren, der seit den 1920er Jahren die Pastiglie Leone in Turin und seiner Provinz vertrieb. Giselda war eine der ersten italienischen Managerinnen, die mit harter Hand, Hartnäckigkeit, Mut und Weitsicht zu einer einzigartigen Figur in der Unternehmerszene jener Jahre wurde und, nicht nur angelehnt an den Firmennamen, auch „Leonessa“ (die Löwin) genannt wurde.

Mit der neuen Geschäftsführung zieht die Produktion vom Corso Vittorio Emanuele in einen größeren Bereich am Corso Regina Margherita 242 um. „La Leonessa“ beginnt mit Investitionen in neue Verpackungen, Werbung und Gewinnspiele für die besten Kunden. Sie leitete das Unternehmen bis in die 1980er Jahre und gab das Ruder anschließend in die Hände ihres Sohnes Guido Monero, der das Unternehmen bis 2018 mit seiner Frau Gigliola Serpero Monero leitete, unterstützt durch seine Tochter Daniela Monero, die sich um den kreativen Bereich der Verpackung kümmerte.

Die kleine Blechdosen der Pastillen können auch als Vase dienen. Hier die Violetta-Dose mit Blumen. Glückwunsch zum 160. Jahrestag. Unternehmensfoto aus Instagram
Herzlichen Glückwunsch zum 160. Jahrestag. Die leeren Blechdosen der Pastiglie Leone kann man auch gut für einen Blumengruß verwenden. Foto: Pastiglie Leone-Instagram

Das Jubiläum 2017: 160 Jahre Pastiglie Leone

Im Jahr 2017 feierte die Marke Leone 160 Jahre ihres Bestehens. Es war ein historischer Meilenstein, der wohl nur erreicht wurde, weil der Geist des Anfangs (heute würde man sagen, die Start-up-Mentalität) erhalten blieb. Eine facettenreiche Produktion, farbenfrohes und gleichzeitig dezentes Packing, hohe Qualität und Kontinuität und immer kommen neue Geschmacksrichtungen hinzu.

Vor einiger Zeit wurde der Farbstoff Karmin (aus Schildläusen) durch einen natürlichen Farbstoff pflanzlichen Ursprungs ersetzt: durch Anthocyane. Damit gibt es die Pastiglie Leone nun auch vegan (durch VEGANOK zertifiziert). Alle anderen Grundzutaten bleiben jedoch die von einst, alle natürlich, genau wie die Verarbeitungstechniken noch ursprünglich sind. Aus diesem und vielen anderen Gründen war es der Firma Pastiglie Leone Srl wohl vergönnt, auch Krisenzeiten zu überstehen. Heute blüht es sogar weiter auf und ist ein gesundes Unternehmen.

Ein paar Zahlen gefällig?

  • 3 Millionen produzierte Schachteln mit Süßigkeiten
  • 10 Millionen Euro Jahresumsatz 2018 und zudem
  • über 24.000 Fans auf Facebook und mehr als 30.000 Abonnenten auf Instagram (die neue Währung unserer Tage) (Abfrage im Juli 2019)

4 Schachteln Pastiglie Leone darunter auch der Geschmack "Martini Rosso". Foto: Katrin Walter

Das Geheimnis des Erfolges: Nicht übertreiben bitte

Das Geheimnis dieses Erfolgs über mehr als 160 Jahre lag und liegt wohl in der soliden Führung in der Form eines Familienunternehmens, das immer auf Qualität und Tradition gesetzt hat, auf die Unverkennbarkeit im Aussehen und Geschmack ihrer handwerklich hergestellten Leckereien. Sie stehen für die Sehnsucht nach dem Schönen und Guten, wecken die Nostalgie der Italiener und tausend Erinnerungen an glückliche Tage, die vom erfrischenden Geschmack der kleinen, farbenfrohen Pastillen noch versüßt wurden.

Hinzu kommen wohl auch die guten Eigenschaften der Piemonteser, immer mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben und arbeitsam zu sein. Die jeweiligen Leader der Bonbonmanufaktur haben es sich nie am Schreibtisch bequem gemacht, sondern nahmen am prallen Leben teil und packen überall mit an, voller Leidenschaft für ihre Arbeit.

Die höchste Tugend der Piemonteser, so sagt man, sei das Understatement, die Fähigkeit, sich selbst keine große Bedeutung beizumessen. Der große Norberto Bobbio, 2004 verstorbener italienischer Philosoph, Politologe und Publizist aus Turin, behauptete, dass ein passendes Motto für die piemontesischen Flagge „Esageruma nen!“ sei, was so viel heißt, wie „nicht übertreiben!“.

Die Barilla-Ära: Ein Löwenherz für eine Bonbonfabrik

Nun (seit Juli 2018) halten nach den piemontesischen Leones und Morenos die emilianischen Barillas das Ruder der Pastiglie Leone in den Händen und beweisen ein dickes Löwenherz: Luca Barilla möchte kräftg in die Traditionsmarke investieren (1 Million Euro) und das Unternehmen in die Zukunft zu führen. Er will den respektvollen Weg fortsetzen, der bereits durch die Familie Monero, die Vorbesitzer, eingeschlagen wurde und – neben dem Geld – sein Marketing Know how einbringen.

So wie es scheint, wird es dabei keinen bitteren Drops für die Belegschaft zum Lutschen geben. Noch heute sollen die Gelantine-Stückchen, die der Graf von Cavour so liebte, von den Mitarbeitern der Bonbonfabrik per Hand in die Förmchen gelegt werden. Diese Senateurs sind, neben den Pastiglie Leone-Bonbons, eines der Vorzeigeprodukte des Betriebes. Und mit dem aktuell wieder aufgelebten Retrostyle und dem Trend zu natürlichen Zutaten sind die Produkte der Pastiglie Leone Srl in ihren Pastellfarben nicht nur eine Augenweide und Gaumenfreude, sondern ganz modern.

Die pastellfarbenen Umverpackungen der Pastiglie Leone-Schachteln. Foto: Katrin Walter - simply walter

Hier geht es zur Website der Pastiglie Leone Srl, falls du noch mehr entdecken möchtest.

Hast du auch schon einmal von den „löwenstarken“ Bonbons genascht? Welches ist deine Lieblingssorte?


 

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Alle Fotos (wenn nicht anderes oben angemerkt): Katrin Walter – simply walter

Und noch mehr Geschmackssachen gibt es hier.

 

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