Weinwissen: Drei für eine – Tuchì, Tai, Friulano

Tuchì, Tai und Friulano

„Drei für eine“, das erinnert ein wenig an den Slogan der Musketiere „Alle für einen, einer für alle!“ Leider ist das nicht die Idee, die man in Italien hatte. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht, sagte man sich hier und hat nun drei Namen für eine einzige Rebsorte, die einst in italienisch Tokaji, Tocai oder Tocaj genannt wurde.

Der Wein mit der Herkunftsbezeichnung San Martino della Battaglia DOC war bisher der Einzige, dessen Trauben seit 6 Jahren namenlos waren (siehe Artikel zum Thema hier) nachdem Ungarn 2007 die Nutzung des Namens für die Rebsorte im Respekt und Schutz für ihre eigene territoriale Bezeichnung Tokaj/Tokajer unterband.

Während im Friaul die Rebsorte Friulano genannt wurde und in Venetien Tai, gibt es nun auch in der wohl kleinsten DOC Italiens einen Namen für die Rebsorte: Tuchì. Die Erzeuger des Weins aus der Tuchì-Traube, den San Martino della Battaglia DOC, erklären dies mit der Aufwertung und Promotion des Territoriums ihrer Mini-DOC (nur 25 Hektar insgesamt).

Im Bild die gewelkten Tuchì Trauben für den San Martino della Battaglia DOC Passito. Foto: Katrin Walter in der Cantina Colli al Lago/Selva Capuzza.
Die Traube für den San Martino della Battaglia DOC hat nun einen eigenen Namen: Tuchì. Im Bild sieht man gewelkte Trauben für einen San Martino della Battaglia DOC Passito. (Foto: Katrin Walter)

Zu Beginn der sechziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts, in der das Regelwerk des San Martino della Battaglia entstand, war die Traube von den Moränenhügeln am südwestlichen Ufer des Gardasees (Lombardei) weit verbreitet und wegen ihre Qualität sehr geschätzt, vor allem wegen ihres hohen Alkoholgehalts. Sein Produktionsgebiet liegt zwischen Lonato del Garda, Desenzano, San Martino, Pozzolengo und Sirmione.

Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts war der Wein gut bekannt und wurde unter den wenigen Weinen in der Abhandlung „Topographie de tous les vignobles connus“ des Parisers Andrè Jullien zitiert. Er präsentierte ihn als „vin de liqueur“ (wahrscheinlich in der Passito-Variante) lobpreiste ihn für seine Genussfülle, welche das Territorium (damals noch Riviera del Garda genannt) offenbarte. Das Renommee wuchs noch mehr, als der Wein die Aufmerksamkeit des österreichisch-ungarischen Kaisers errang, der ihn zur Zeit der berühmten Schlacht von 1859 mit dem Tokajer-Wein seiner ungarischen Heimat verglich.

Der Name Tuchì

Damals vernachlässigten die lokalen Winzer andere Reben, um die Sorte, die sie im Dialekt „Tuchì“ nannten, weiter zu verbreiten. Tuchì bedeutet auch so viel wie „angenehme Begegnung“ oder „kleines Ding“, ja fast eine Geste des Schutzes gegenüber anderen, produktiveren Rebsorten. Heute soll mit dem historischen Name Tuchì die Zuneigung und Aufmerksamkeit für diese Rebsorte, die zwischenzeitlich etwas in der Versenkung verschwand, wieder erneuert werden. Mit der vergangenen, offiziellen, ampelografischen Nomenklatur Tocai Friulano war man hier eh nie froh.

Um die einzigartige Identität anzuerkennen als Symbol und Identifikation für die kleine DOC San Martino della Battaglia, reichte man den Behörden nun, nach der Einigung der Produzenten auf diesen Namen am 29. März 2013, den Antrag auf die Umbenennung in Tuchì (Synonym und auch ausgesprochen als Tukì mit Betonung auf dem „i“ am Ende) ein. Damit soll Tuchì auch als Hommage an die Geschichte, die Qualität, an die Besonderheiten und Facetten der Rebe, die rund um den Turm San Martino della Battaglia wächst, verstanden werden.

Der Wein San Martino della Battaglia DOC muss laut der Produktionsrichtlinien aus mindestens 80 Prozent Tuchì bestehen. Für die restlichen 20 Prozent sind andere weiße Sorten aus der Lombardei und der Provinz Verona zugelassen. Die meisten keltern ihn jedoch aus 100 Prozent Tuchì.

Weine aus Tuchì, Tai und Friulano in Wein-Plus.

PS: Auf dem Foto oben sieht man gewelkte Tuchì-Trauben für einen Passito. (Foto: Katrin Walter)



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13 Kommentare

13 Kommentare

  1. Wieder sehr interessant
    aber auch ein bißchen traurig zu lesen, dass es irgendwie überall immer nur um eigene Interessen geht, selten das große GEMEINSAME gesehen wird.
    Aber unabhängig davon wünsch ich viel Erfolg für das neue Projekt BLOG,
    weiter so und beste Grüße MaJo

  2. Hallo MaJo,
    danke für deinen ersten Kommentar. Praktisch hast du das Blog damit entjungfert ;-). Toll!

    Wie du richtig schreibst, es ist schade. Die Italiener, statt sich zu einigen, machen in einem falsch verstandenen Patriotismus jeder ihr eigenes Ding und verwirren damit die potenziellen Kunden und merken nicht, dass sie sich damit ins eigene Fleisch schneiden, denn Verwirrendes lässt sich schwer verkaufen. Das passiert leider sehr oft hier, in Italien.

    Nichtsdestotrotz ist der San Martino della Battaglia DOC Campo del Soglio von Selva Capuzza (größter Produzent in dieser klitzekleinen DOC) einer meiner Lieblingsweine und ich trinke ihn, egal, wie die Rebsorte heißt. :-)

  3. Was für ein interessanter Artikel!
    Da hast Du aber sehr intensiv recherchiert, da merkt man Dein Herzblut und die Kompetenz rund um das gesamte Thema Wein!
    Ich wünsche Dir ganz viel Erfolg mit dem Blog und freue mich auf weitere interessante Themen!
    Es grüßt herzlichst aus Berlin
    Lemondrop

  4. Vielen Dank Lemondrop. Ja, der Rechercheaufwand ist immer ziemlich hoch, auch um nicht Dinge zu schreiben, die bereits allbekannt sind. Zumindest versuche ich, immer mal wieder einen überraschenden Zusammenhang herzustellen oder – wie in diesem Fall – wohl die Erste zu sein, bei Informationen aus der Weinwelt Italiens.

  5. In der Zwischenzeit weiß man ja Dank DNA-Analysen, dass es sich bei der Sorte Tuchi (bzw. Tai, Friulano – vormals Tocai Friulano) um die Sorte Sauvignonasse aus Südwest-Frankreich handelt, die wiederum nicht mit dem Sauvignon Blanc verwechselt werden darf, wie es vor allem in Südamerika über 100 Jahre lang gemacht wurde. Mit der Tokajer-Sorte Furmint hat sie ja überhaupt nichts zu tun, obwohl das lange Zeit mit zum Teil sehr abenteuerlichen Hypothesen zu beweisen versucht wurde. Sicher hat die Sorte in Italien eine ganz eigenständige Entwicklung genommen und ist (obwohl DNA-mäßig zu 100% identisch) nicht mit der Sauvignonase in Chile oder Argentinien zu vergleichen. Das ist so wie bei Menschen – wenn man lange in einem bestimmten Kulturkreis lebt, passt man sich auch rein äußerlich an die Umgebung und die Gegebenheiten an.

    Gratulation zur Website – und eine Frage: wie oft hast Du springen müssen, liebe Katzrin, bis das Foto von der Subsite „simply text“ gepasst hat?

    1. Lieber Norbert,
      danke für deine Ergänzung.

      Was die Fotos angeht: Wir haben ein fast ganztägiges Fotoshooting bei Marco Guariglia (http://www.marcoguarigliafotografia.it), meinem Fotografen, gemacht und dabei sind sehr sehr viele Fotos herausgekommen. Die große Arbeit ging jedoch erst anschließend los, beim Sichten und Auswählen der passenden Fotos für die Seiten gemeinsam mit meiner Grafikdesignerin Bettina Röder von bezz I graphic design (http://www.bezz.it).

  6. Sorry for writing in english.
    I can understand german and speak it someway, but I am very limited in writing it so…

    Thank you a lot for your interest and care in favour of this unknown, ghost wine.
    I feel so happy that after so many years of silent work this wine is finally gaining interest from the most intrepid, unbiased and adventurous wine scouts.
    Resurrecting this amazing product has been my first professional challenge, I have felt privileged to have had the opportunity to work with this delicate and elegant grape.

    I will never forget the feeling of seeing new wine lovers approaching the San Martino della Battaglia.
    Don’t forget San Martino della Battaglia is also a place, which will be able to surprise you for the many unique characters it is hiding in its surroundings.

    Have fun and enjoy wine and life,
    Luca

    1. Dear Luca, thank you for your comment.
      I know both, the place and the wine – your Campo del Soglio. But I know also who is making this wine and I love all this components: San Martino place, San Martino wine, San Martino Winemaker :-). I’m so happy that you make it in the way you do it.
      The only fault is: there is always too little quantity. And I hope, that San Martino will never be in vogue and sold out before I could take some boxes every year for me to enjoy it.
      Thank you for your dedication to this territory
      Katrin

  7. Hi,
    ich war sehr überrascht als ich vor Jahren mit einem Tokaj aus dem Friaul konfrontiert wurde. Ich kannte nur den (für mich furchtbaren – sorry liebe Tokajer-Fans) ungarischen Süßwein und war erstaunt, einen solchen Wein zu finden.
    In Cervignano del Friuli in der Azienda agricola „La Rosta“ gibt es einen solchen Wein ebenfalls. Sicher etwas rustikaler angelegt als in dem kleinen DOC aber dennoch besonders und als Weißwein für mich ungewöhnlich und sehr vollmundig.
    Ich bin davon überzeugt, dass sich Qualität durchsetzen wird und gerade kleine Anbaugebiete hervorragende Weine hervorbringen.
    Danke für die Informationen zur Herkunft.
    LG

  8. Hallo. bin zufällig auf diesen sehr gut recherchierten Blog geraten.
    als kleiner Weinhändler habe ich Weine des Weinguts CITARI im Sortiment, dort gibt es auch einen San Martino della Battaglia …. sehr delikat. Preislich etwas schwer vermittelbat aber immerhin etwas besondrres. Es soll wohl nur noch 6 Produzenten dieses Weines geben ….

    1. Hallo Michael,
      vielen Dank für das Kompliment und komme gerne wieder.
      Es freut mich, dass man den Tuchi nun auch in Deutschland bekommen kann. Neben dem Hauptproduzenten, Selva Capuzza (siehe hier https://www.simplywalter.biz/weinwisen-san-martino-della-battaglia-doc/) gibt es auch noch kleinere die ein paar Hektar kultivieren.
      Ich mag diesen Wein sehr, man sollte ihn allerdings nicht zu jung trinken; er schmeckt besser mit ein paar Jahren Flaschenreife.
      Cin cin!

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